Pierre-Hugues Herbert ist sicher der schillerndste Spieler, den das Lambertz-Team seit langem verpflichtet hat. Der Franzose hat so ziemlich alles gewonnen, was man im Tennis-Doppel gewinnen kann, fünf Grand Slam-Titel inklusive. Umso bitterer, dass der fließend Deutsch sprechende Elsässer sich kurz vor der Saison verletzte, im besten Fall also höchstens in den letzten Spielen eingreifen kann.

Interview

Hallo Pierre, willkommen im Lambertz-Team! Wir haben und hatten ja schon viele tolle Spieler im Team, aber einen Spieler, der alle Slams gewonnen hat, wow, das gabs noch nicht. Magst Du Dich den wenigen, die mit Deiner Spielweise nicht vertraut sind, dennoch kurz vorstellen? Was für ein Typ bist Du? Und wie agierst Du auf dem Platz, eher aggressiv, oder?

Pierre-Hugues Herbert: Hallo Tennis Klub Lambertz 🙂

Ich finde es immer schwierig mich selbst vorzustellen, aber ich würde sagen, dass ich ein offensiver Spieler bin. Ich komme recht viel ans Netz und kann auch Serve and Volley spielen. Ich mag es –ein bisschen old school– auch mal meine Spielart zu variieren 🙂

Du bist in Straßburg aufgewachsen, aber die meiste Zeit in Deutschland zur Schule gegangen und hast dann auch in Deutschland trainiert statt den Weg zum Profi über eins der Sportgymnasien in Frankreich zu wählen. Wenn man sich die Tennis-Weltrangliste so anschaut, gewinnt man schnell den Eindruck, dass die Tennis-Ausbildung in Frankreich der Deutschen ein wenig voraus sein muss. Wie kam es also zu diesem auch nach 60 Jahren deutsch-französischer Freundschaft immer noch sehr ungewöhnlichen Weg?

Ich bin von der dritten Klasse bis zum Abitur in Deutschland zur Schule gegangen, in der Falkenhausenschule und im Einstein Gymnasium Kehl. Ich habe zwar mein ganzes Leben in Frankreich gewohnt und trainiert, habe aber jeden Tag die Grenze passiert. Mein Vater hat mich trainiert und das deutsche Schulsystem war für mich das beste; Schule morgens und nachmittags Tennistraining. In Frankreich muss man den ganzen Tag in die Schule gehen und ich glaube ich hätte es ohne das deutsche Schulsystem nicht geschafft Tennisprofi zu werden.

Was die Spieler angeht, ich würde sagen, der Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland ist, dass wir in Frankreich einen Grand Slam haben und viele Jungendliche davon träumen Tennisspieler(in) zu werden. Man muss aber schon sagen dass Deutschland mit Alexander Zverev und Co auch eine unglaubliche Generation hat.

Dein erster großer Erfolg gelang Dir dann auch an der Seite eines Deutschen. Mit Kewin Krawietz hast Du 2009 das Junioren-Doppel in Wimbledon gewonnen. Was macht das mit einem jungen Spieler, wenn man einen Wettbewerb das prestigeträchtigsten Turniers der Welt gewinnt? Standst Du auf einmal mehr im Rampenlicht? Hast Du Dir danach mehr Druck gemacht? Gab Dir das Selbstvertrauen, vielleicht sogar zu viel Selbstvertrauen, einen solchen Titel zu gewinnen?

Ich war als Jugendlicher nicht das größte Talent, aber ich würde aber sagen, dass der Weg zum Tennis-Profi kein 100 Meter Lauf ist, sondern ein Marathon. Auf diesem Weg braucht man Momente, die dir helfen immer noch an deine Träume zu glauben. Der Doppel Wimbledon-Titel mit Kevin war für mich so ein Moment und hat mich auch für meinen Weg mit dem deutsch-französischen Studium belohnt. Das hat mir mehr Selbstvertrauen gegeben, dass ich vielleicht eines Tages einen Grand-Slam spielen würde. Das war eine unglaubliche Woche und die Erinnerungen begleiten mich auch in meiner aktuellen Karriere immer noch.

Du hast im weiteren Verlauf Deiner Karriere so ziemlich alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt: Alle Slams, die Tour Finals, den Davis Cup und einen Haufen Masters. Was war am schönsten und was für Ziele bleiben da noch, wenn man mit Anfang 30 schon eine solche Karriere hinter sich hat?

Ich habe mit Nicolas Mahut fast alles im Doppel gewonnen aber es fehlen mir noch ein paar Titel im Einzel 🙂

Was am schönsten war ist immer schwer zu sagen. Jeder Turniersieg bringt etwas Neues. Der Davis-Cup und die Grand Slam Siege waren emotional am meisten aufgeladen. Der Davis Cup 2017 und die beiden Titel in Roland Garros stechen vielleicht ein wenig heraus, weil ich sie mit Nico, dem Team, meiner ganzen Familie und dem französischen Publikum teilen konnte.

Du spielst seit gut sieben Jahren mit Nicolas Mahut zusammen. Nicolas ist allerdings fast zehn Jahre älter als Du. Dazu kommt, dass Du bis 2014 noch nicht erfolgreich Doppel auf Slam Ebene gespielt hattest während Nicolas mit Mickael Llodra schon einige gute Ergebnisse vorzuweisen hatte. Wie kam es dazu, dass Ihr zusammengefunden habt?

Nachdem Mickael Llodra sich verletzt hat musste Nicolas für 2015 einen neuen Partner suchen. Er hätte mit einem besser klassierten Spieler spielen können, aber er hatte meine Karriere verfolgt, ich stand zu dieser Zeit 90 in der Welt und hatte gerade das ATP 500 in Tokyo mit Michal Prysiezny gewonnen. Nico hat an uns geglaubt und wir haben bei unserem ersten gemeinsamen Grand Slam in Australien direkt das Finale gespielt. Seitdem sind wir einfach zusammen geblieben.

Gemeinsam wart Ihr von Anfang an unglaublich erfolgreich. Bei Eurem ersten gemeinsamen Slam 2015 standet Ihr sofort im Finale. Dann habt Ihr Queens gewonnen, schließlich die US Open. 2016 folgten drei Masters Titel, wieder Queens und dann Wimbledon. Warum passt Ihr so gut zusammen, dass es vom ersten Tag an großartig lief?

Ich glaube wir sind beide gute Doppelspieler. Wir spielen beide offensives Tennis und kommen sehr gerne ans Netz. Und obwohl wir beide sehr offensiv spielen sind wir extrem anders. Nico ist eher ein Mathematiker, alles ist kontrolliert und optimiert. Ich bringe ein bisschen mehr Chaos und Gefühl. Unser grösster Erfolg ist, dass wir nach 7 Jahren noch zusammen spielen. Zu unseren größten Stärken gehören abseits des reinen Tennisspiels unsere Kommunikation und Offenheit.

Auch wenn die Doppel nicht so hoch dotiert sind wie die Einzel, hast Du mit all Deinen Erfolgen in den letzten Jahren ganz gut verdient. Es werden also vermutlich nicht nur finanzielle Erwägungen sein, die Dich dazu gebracht haben, in die Bundesliga zurückzukehren. Warum hast Du Dich für die Bundesliga entschieden?

Ich liebe es in einen Team zu spielen. Ich konnte in den letzten Jahren leider nur ein Match in der deutschen Bundesliga spielen, weil ich immer sehr früh zum Amerika-Swing in die USA musste. Dieses Jahr besteht die Möglichkeit, dass ich gar nicht nach Amerika kann, deswegen ist es für mich der beste Moment in die Bundesliga zurückzukehren.

Apropos Rückkehr in die Bundesliga, Du hast 2014 und 2015 in Halle gespielt, gehörtest also zu der Mannschaft, die uns zwei Mal in Folge ganz knapp den sechsten Titel verwehrt hat. Wie erinnerst Du Dich an die Zeit in Halle und die Rivalität mit Kurhaus?

Ich habe nur ein Match in diesen zwei Jahren für Halle gespielt und hab deswegen nicht wirklich zu diesen Ergebnissen beigetragen 🙂 Ich hoffe aber ich kann ein Glücksbringer für das Lambertz-Team sein.

Kommen wir zum Schluss noch auf Deine Einzelkarriere zu sprechen. Du wirst aufgrund Deiner Erfolge häufig als Doppelspezialist wahrgenommen, auch wenn Du die Bezeichnung anscheinend nicht besonders schätzt. Wenn Du sagst, dass Du auch im Einzel zeigen möchtest, was Du kannst, wie gehst Du das an da die Balance finden? Musst Du nicht eigentlich ständig dem Doppel den Vorzug geben und dann auch Turniere spielen, für die Du im Einzel nicht qualifiziert bist, weil Du im Doppel immer einer der Favoriten auf die allergrößten Titel bist?

Ich habe dem Doppel in meiner Karriere eigentlich sehr selten den Vorzug gegeben. Es war eher andersrum. Der Unterschied zu anderen Spielern ist, dass wenn ich Doppel spiele, ich auch immer wirklich alles gebe.

In beiden Disziplinen Ziele zu verfolgen ist allerdings sehr schwierig. Man muss immer ein Gleichgewicht finden, was die Turnierplanung extrem kompliziert macht.

Mich nur als Doppelspieler zu sehen ist einfach falsch. Ich war Nummer 37 der ATP-Weltrangliste im Einzel! Ich bin ein Tennisspieler, mit den größeren Erfolgen im Doppel 🙂

Was müsstest Du noch erreichen, damit Du in ein paar Jahren auf Deine Karriere zurückblickst und sagst, ich hab auch im Einzel meine Ziele erreicht? Oder bist Du vielleicht schon an dem Punkt?

Einen olympischen Titel und der ein oder andere Titel der ATP-Tour dürften es schon sein. Ich habe noch viele Ziele und Träume, aber meine Karriere ist noch lange nicht an dem Punkt, es ist noch nicht Zeit zurückzublicken 🙂

Danke für das Interview, Pierre!

Statistik

Geb.-Datum: 18.3.1991
Geb.-Ort: Straßburg, Frankreich
Wohnort: Develier, Schweiz
Nationalität: Deutsch
Größe: 1,88 m
Spielhand: Rechts
Profi seit 2010
ATP: 223
ATP Beste: 36
ATP Doppel: 26
ATP Doppel Beste: 2

Doppeltitel: 5 Grand Slam-Turnier, 23 ATP-Turniere (davon 7 Masters)

Im Team seit 2022